Einen Hunde zu haben, der alles inhaliert was fressbar ist, ist schon anstrengend genug. Hunde mit Pica Syndrom setzen eines drauf: sie fressen unverdauliches.
Damit ist Pica hochgradig lebensgefährlich für die Fellnasen. Das Zusammenleben anstrengend, weil man ständig in Sorge ist und alles scant was der Hund aufnehmen könnte.
Bis April 2024 hatte ich – trotz 13 Jahren Hundetrainings – noch nie Berührungspunkte mit dieser Essstörung bei Hunden. Dann kam Jesko – ein Flat Coated Retriever – noch ganz kahl am Bauch von einer Not-OP wegen eines Darmverschluss.
Pica Syndrom oder verfressen?
Beides ist anstrengend, aber es ist ein deutlicher Unterschied.
Lass es dir an Beispielen aus meinem Leben als Hundehalter erklären.

Spiky – ein Bild von einem Weimaraner, aber eine krankhafte Fressmaschine.
Fisher Man Friends mit Verpackung, Wellensittichfutter, etwas eingekauftes unbeaufsichtigt stehen lassen? Brauchte man nur noch leeres Papier wegräumen.
Er war der König der Beschaffungskriminalität. Schubkasten ohne Griffe? Kein Thema. Schränke, Klinken – alles Null Problemo. Nur Schlösser könnten ihn stoppen.
Dieses Verhalten war super anstrengend, aber nur bedingt gefährlich.
Ja, er hatte fantastische Verstopfung von 1 kg Trill für Wellensittiche und tierischen Durchfall nach mehreren Äpfeln, aber es war eben alles verdaulich.
Im Vergleich der Pica Hund Jesko. Ein frecher und lustiger Flat Coated Retriever. Er kam im April 2024 in mein Leben gestürzt. Es gab eine „Bedienungsanleitung“ die sagte, dass er dazu neigt Tempos und Lappen zu fressen.
Bis dahin habe ich mir nicht viel gedacht.
Jesko war 14 Tage bei uns und wir waren zweimal beim Notdienst. Eine Socke und ein Ball.
Das war vollkommen neu für mich. Alle meine Hunde haben mal ein Spielzeug zerlegt, aber große Stücke gefressen? Never.
Jesko sammelte auch auf Spaziergängen ALLES ein. Und du glaubst nicht was alles in Büschen liegt. Ich meine wer wirft bitte eine Weihnachstbaumbeleuchtung an einem Feldweg raus?
Hunde mit der Essstörung Pica-Syndrom nehmen schwer- bis unverdauliche Gegenstände zu sich, als wären sie ein Leckerli.
Der Artikel ist für dich, wenn dein Hund wie Jesko ist. Die Spikys dieser Welt sind anstrengend, keine Frage, aber deutlich weniger gefährdet.
Trainingssache oder hat der Hund einen Knall?

Als ich kapiert hatte, dass Jesko definitiv unter einem Fehlverhalten, einer Essstörung leidet fing meine Suche an.
„Kann man das Pica Syndrom abtrainieren? Wie?“
Entweder ich hatte kein Händchen für die google Suche oder es gab tatsächlich kaum brauchbare Infos.
Nun gut, selbst ist der Hundetrainer.
An der Stelle möchte ich dir ehrlich gestehen: wärst du mit einem Jesko zu mir gekommen, hätte ich mich viel schwerer getan. So hatte ich die Möglichkeit den Hund 24h zu beobachten. Alle Schlüsselmomente zu erleben und sein Verhalten zu verstehen.
Jesko war mein Meister Yoda in Sachen Pica Syndrom Training.
Pica wir mit Elster übersetzt und das trifft es schon echt gut.
Im Falle Jesko wurde ALLES aufgenommen was er finden konnte. Der fast perfekte Müllsammelhund.
Hätte er es gebracht, alles fein, aber er wollt es behalten und lieber fressen als hergeben. Egal wie schwer sich die Socke oder der Handschuh auch schlucken mag.
Bei Menschen wird es als neurologische / psychische Störungen angegeben.
Bei Hunden lehne ich mich aus dem Fenster und sage: „Meistens ist es eine Trainingssache.“
Das sind hoffentlich die ersten guten Nachrichten für dich.
Pica-Syndrom als erlerntes Verhalten

Weil das Universum immer liefert, hatte ich passende Trainingshunde. Hunde die noch kein Pica Syndrom hatte, aber auf einem nicht unbedenklichen Weg waren. Woran lag das?
Meist reden wir von jungen Hunden, noch Welpe oder gerade Junghund.
Die Kleinen nehmen noch alles auf, erkunden die Welt mit dem Maul und den Zähnen, besorgte Hundehalter nehmen ihnen das Zeug einfach weg. Man will ja nicht, dass was passiert.
Doch bereits da passiert es. Der Hund verliert das Vertrauen bzw. es wird erst gar keines aufgebaut.
Der Hund findet was will es untersuchen, spielen, knabbern was auch immer – Mensch kommt „Nein!“ und weg ist es.
Versetze dich in die Situation des Hundes und du merkst schnell: das nervt!
Eine logische Konsequenz der Fellnase: ich schnappe mir das Ding und laufe weg oder ich knurre meinen Menschen an oder eben ich schlucks runter.
Vorbeugen ist besser als abtrainieren
Schon immer war der Vertrauensaufbau beim Abgeben von Gegenständen ein Fokus in meinem Welpentraining.
Nie sollte der Hunde denken, er bekommt was weggenommen. Beim ersten Hund habe ich das weniger meisterlich geschafft.
Bei Nala war ich dann schon Hundetrainer und wir hatte nie Sorgen. Einmal beim Laufen hat sie eine Fettschwarte gefunden. Sie hat sie einfach mitgebracht, statt damit Abstand zu halten. Vertrauen.
Ein Krabbelkind war wie ein Ninja entwischt und hat Nala das Futter aus dem Napf geklaut. Ja, die Mutter und ich waren kurz starr vor Schreck: Nala ist ein Schritt zur Seite gegangen. Frauchen gibt mir schon was anderes. Puh!
Von Anfang an darf dein Hunde lernen, dass Dinge nicht verloren sind. Das es ein Ausgleich gibt oder er den Gegenstand nach dem Abgeben gleich wiederbekommt.
Wenn das Vertrauen sitzt, verkraftet er es, wenn man im Notfall mal etwas wegnehmen MUSS.
Zu spät: der Hund rückt nix mehr raus
Dann heißt es viel Gefühl, viel Management, starke Nerven und Geduld. Nachfolgend erzähle ich die Jesko’s (Erfolgs)geschichte.
Jesko – ALLES MEINS
Ich habe es liebevoll als Dagobert Duck Syndrom bezeichnet. Er hat direkt gesucht was er aufnehmen kann. Ob er es von Anfang an fressen wollte ist ein Geheimnis. Die Chancen standen jedoch bei jedem einzelnen Stück erschreckend gut.
Management
Zunächst hieß es absichern. Management. Man wird sehr ordnungsliebend und bekommt ein Auge für das Detail.
Socken kurz auf dem Bett zwischenparken? Nope.
Den Abwaschlappen kurz auf dem Tisch liegen lassen? Auf keinen Fall.
Beim Spazieren gehen träumen? Ausgeschlossen.
Alles muss weg, was dem Hund gefährlich werden könnte. Beim Gassi gehen, wird der Weg vorher gescannt und Gefahrenquellen umgangen.
Es kann sogar überaus sinnvoll sein, ein Maulkorbtraining an dieser Stelle zu beginnen um den Hund abzusichern. Da darf man abwegen wie gefährdet ist der Hund und wie gefährlich ist die Umgebung.
Vertrauen braucht Zeit, viel Zeit
Nun mussten wir als neue Familie, dass Vertrauen eines Vierjährigen erlangen. Sein Frauchen war verstorben, er war in einer vollkommen neuen Umgebung – nicht die leichtesten Voraussetzungen für den Buben.
Hat man Jesko ein Rinderohr gegeben hat er es geschnappt und in Sicherheit gebracht. Konnte er das nicht, hat er den Kopf massiv abgewandt. Kam man dann dem Rinderohr zu nah, brummelte der Braunbär.
Das war der erste Ansatz: fröhliches Ohrentauschen.
Ich hatte zwei Ohren in der Hand. Jesko bekam das Eine, dann habe ich ihm das andere angeboten. Er hat skeptisch A fallen lassen nach B geschnappt und wollte dann auch gleich A noch sichern. An der Stelle war ich relaxt, mein erstes Ziel war nicht ihm etwas wegzunehmen sondern das er ruhig wird.
Lernte er schnell. Jesko checkte, dass es nichts zu befürchten gab. Das Ohr war definitiv sein und ich würde es ihm nicht wegnehmen.
Nächster Schritt: Ohr A gegeben und Ohr B angeboten. Hat er Ohr B genommen, habe ich Ohr A berührt. Bis auch das kein Thema war. So kleinschrittig sind wir vorgegangen bis Ohr hergeben null Thema mehr war. Jetzt darf man festhalten und tauschen alles fein.
Dieses Training habe ich auch auf andere Dinge adaptiert. Er hat einen Schuh geklaut. Ok, arbeiten wir mit dem Schuh.
Aktueller Stand: er bringt den Schuh oder gibt ihn ohne Theater aus. Es gab bis zu einem gewissen Punkt IMMER eine Belohnung bzw. etwas zum Tauschen. Hier ist nun etwas Erziehung im Spiel. Wir mögen unsere Schuhe einfach gerne ohne Sabber oder Zahnabdrücke.
Jesko durfte lernen Entscheidungen zu treffen
Waren wir unterwegs und er hat etwas gefunden waren eisernen Nerven gefragt.
Hektisch auf ihn zugehen: verschlucken
Nein rufen: verschlucken
Hand in seine Richtung: verschlucken
Also trotz des Kopfkinos, was ihm passieren könnte, tief in die Hose atmen und locker bleiben.
Zunächst bin ich weitergegangen. Was war auch die Alternative?
Als er merkte, dass ich ihm nichts wegnehmen wollte. Wurde er weicher, dass war der Moment wo ich mit ihm arbeiten konnte.
Auf Abstand habe ich ihm etwas angeboten. Immer etwas stark riechende getrocknete Lunge in der Tasche zu haben ist ein Joker.
Es zuweilen Minuten gedauert, aber meistens hat er das Fundstück ausgespuckt und die Lunge genommen.
Was so einfach klingt war es nicht, denn danach ist er im Affenzahn zu dem Ding zurück und wollte es wieder haben. Da waren zwei Menschen von Vorteil oder Futter vor mir herwerfen um ihm dort wegzulocken.
In kleinen Schritten wurde es besser. Er entschied sich schneller für die Leckerlis. Lies sich das Zeugs aus dem Maul nehmen.
Ganz unfallfrei war der Weg nicht, aber meistens Papier oder Taschentücher – nix dramatisches.
Inzwischen lasse ich mir Fundstücke bringen und frage ihn ob er sich ganz sicher ist, dass er lieber das Futter will. Weißt du wie genervt ein Hund schauen kann?
Nach 9 Monaten Training bin ich schon echt zufrieden und alle sind entspannter. Ich bekomme keinen Schweißausbruch, wenn Jesko in ein Zimmer geht wo ein Lappen zum Trocknen auf der Heizung hängt.
Socken har er geklaut, aber wieder hergegeben.
An schlechten Tagen – was auch immer ihm dann beschäftigt – fällt er manchmal einen Schritt zurück. Nun gut, Hunde sind ja auch nur Menschen.


Der Tierarzt redet ein Wörtchen mit
Wenn dein Hund diese Verhaltensproblem hat, lass bitte auch diagnostisch beim Tierarzt alles abklären.
Gibt es einen Nährstoffmangel? Ist etwas im Blutbild auffällig?
Lasse alle nötigen Untersuchungen durchführen um auf der gesundheitlichen Seite alles ausschließen zu können.
Hinterfrage den Fütterungsplan deines Hundes. Hat er eine ausgewogene Ernährung. Hat der Hund alle nötigen Vitamine und Nährstoffe?
Durch Jesko ist mir aufgefallen, dass die meisten Nassfutter fast nur noch aus Fleisch bestehen. Nala wird fast ihr ganzes Leben gebarft mit der Verteilung: 80% tierisch, 20% Obst und Gemüse. Kaum ein Nassfutter hatte das.
Im Zweifel wende dich an einen Ernährungsberater für Hunde. Wie bei den Humanmedizinern sind Tierärzte selten wirklich fit in Sachen Ernährung. Verkaufen, dass Futter was ein Vertretet für gut befunden hat.
Beleuchte das Thema bitte wirklich von allen Seiten.
Fazit: es gibt ein Training für Hunde mit Pica Syndrom
Auf keinen Fall pauschalisieren, Hunde sind auch hochindividuelle Wesen. Das große Ganze muss bedacht werden.
Aus der Erfahrung und den Beobachtungen der letzte Monate scheint es mir allerdings so, dass bei vielen Hunde diese verhaltensbedingte Störung trainiert werden kann.
Es dauert sein Zeit, braucht Konsequenz, Geduld und Liebe – aber es lohnt sich.
Der Gewinn ist nicht nur ein weniger gefährdeter Hund, sondern auch ein ganz anderes Vertrauensverhältnis.
Dein Hund weiß jetzt, dass du ihn verstehst. Schöner Gedanke, oder?